Die Mär von der medialen Unabhängigkeit

Von Kurt Igler


Die meisten unserer großen (Print-)medien schmücken sich mit dem Attribut „unabhängig“. Ja, es gehört zum hehren Selbstverständnis seriöser Medien, keiner bestimmten Partei oder Interessenvertretung verpflichtet zu sein. Diffiziler wird es bei der Frage nach der Abhängigkeit von Religionen und Weltanschauungen. Mag sein, dass manche sich selbst auf diesem Gebiet als unabhängig, neutral, vorurteilsfrei betrachten, Probleme von verschiedenen, auch unterschiedlichen Standpunkten her beleuchtend. Ein Beispiel dafür lieferte vor einiger Zeit die „Presse“: zu Mel Gibsons Film über die Passion Christi kamen zwei Redakteure mit dezidiert verschiedener Beurteilung zu Wort, in meinen Augen durchaus begrüßenswert...



Freilich vertreten die meisten Medien eine bestimmte „Blattlinie“, eine Ausrichtung, die sich weltanschaulich keineswegs als neutral bzw. unabhängig bezeichnen darf. Über dieses Faktum täuscht das pauschale Zierwort „unabhängig“ allzu leicht hinweg, und es würde der Information der Medienkonsumenten dienlich sein, diese redaktionelle Linie deutlicher als üblich offen zu legen.
Die Festlegung auf ein bestimmtes Verständnis und eine bestimmte Beurteilung der öffentlichen Ereignisse muss in sich noch kein größeres Problem darstellen. Weitaus problematischer erscheint mir die erschreckende Gleichförmigkeit unserer Medien in ihrer weltanschaulichen Ausrichtung. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich nun auf sehr dünnes, gefährliches Eis begebe. Dennoch bin ich überzeugt, dass ein kritischer Geist, der zu manchen Informationen Zugang hat, die wenig Öffentlichkeit erhalten, unweigerlich zu dieser Diagnose gelangen wird.

Zur Untermauerung meiner Behauptung möchte ich einige Fragen in den Raum stellen, die die enge Bandbreite der veröffentlichten Meinung in den großen österreichischen Medien offenbaren sollen:

Warum wird über christliche Kirchen und Lehren überwiegend mit einem zynischen, verächtlichen Unterton berichtet? In letzter Zeit lieferte auch der ORF in seinen Nachrichtensendungen deutliche Beweise für diese Tendenz (in einem Beitrag über den Drehort der „Passion Christi“ sowie durch ein angebliches Philosophenzitat aus dem Munde der Präsentatorin nach einem Bericht über „Marienkreuze“ in Österreich).

Warum wird die moderne Forderung nach Ablösung der Sexualität von der Institution Ehe in keinem größeren Medium in Frage gestellt? Warum gilt immer schon als richtig, was vorherrschende Meinung und Praxis ist? Und wenn wir schon bei diesem Thema sind: warum wird der LifeBall in sämtlichen Berichten als buntes, nettes, fröhliches Charity-event zur Unterstützung Aids-Kranker beworben? Gäbe es nicht eine berechtigte andere Sichtweise?

Oder: als Nachgeborener empfinde ich ein großes Bedürfnis, die Entwicklungen im so genannten Dritten Reich zu verstehen und die nötigen Lehren daraus zu ziehen. Verstehen setzt aber selbständiges Fragen voraus, zu fragen, „wie es eigentlich gewesen“ (von Ranke). Warum wird aber gerade solch ernsthaftes Fragen durch zahlreiche Tabus, Sprachregelungen, unhinterfragbare Urteile verunmöglicht? Warum muss man die Untaten der Nazis schon mit möglichst intensiver Abscheu verurteilen, bevor man sich noch mit ihnen beschäftigen durfte?

Ich habe bewusst Fragen gewählt, die provozieren, die gegen die herrschende „political correctness“ verstoßen. Man kann an ihrer Auswahl sicherlich Elemente meiner eigenen Weltanschauung erkennen. Aber das ist nicht so wichtig, und mit etwas Anstrengung könnte man ganz andere Beispiele finden.

Mir ging es mit diesen Fragen darum, die Engführung und Abhängigkeit der veröffentlichten Meinung von einer bestimmten Weltanschauung aufzuzeigen, und dass es in unseren Medien durchaus nicht bloß um objektive Wahrheitsfindung geht. Das, was sie an unserer Gesellschaft für gut befinden, und das, was sie für erstrebenswert halten, färbt notwendigerweise die Berichte und Kommentare der Journalisten.

Wenn diese Tatsache stärker ins öffentliche Bewusstsein eindringen, und wenn es in Zukunft in unseren Medien eine breitere Diskussion darüber geben sollte, worin denn das Gute und Erstrebenswerte besteht, so kann das nur zu unserem Vorteil sein.

© Kurt Igler, Juni 2004

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