Vom Nutzen der Theologie für das (Gemeinde)Leben Teil III

von Kurt Igler

Theologendebatte

B.

Doch heißt das nun, dass alle Gläubigen Theologen werden müssen? Oder dass wir ohne Theologie nicht mehr auskommen, dass der einfache Glaube an Jesus nicht genügt? Heißt es, dass das Priestertum aller Gläubigen abgeschafft werden soll, die Kompetenz in geistlichen Fragen wieder an einige „Profis“ abgegeben werden soll?

Nein, das wären verkehrte Schlussfolgerungen. Aber es heißt doch: in gewissem Sinn soll jeder Christ danach streben, ein guter Theologe zu sein. Denn jeder Christ ist in der Weise ein Theologe, dass er eine bestimmte Auffassung von Gott und der biblischen Wahrheit hat. Die Frage ist also nicht, ob Theologie oder keine, sondern ob gute oder schlechte Theologie. Wir sollen und wollen doch recht antworten, wenn man von uns Rechenschaft über den Glauben verlangt, und wir wollen doch nichts Falsches über Gott denken und sagen. Dazu hilft die Theologie, und dazu helfen gute theologische Bücher...



Natürlich muss nicht jeder Christ ein wissenschaftlicher Theologe werden. Aber jede Gemeinde muss sich darum bemühen, ihre Glieder gründlich in der biblischen Lehre zu unterweisen. Und die praktischen Auswirkungen der Lehre müssen unbedingt miteinbezogen und aufgezeigt werden. Dazu braucht die Gemeinde Jesu Theologen. Jeder, der die Gemeinde in der Bibel unterweist, ist ein Theologe. Er ist vielleicht kein ausgebildeter Theologe. Aber er muss theologisch arbeiten, und dabei ist er auf die Hilfe anderer Theologen, ihrer Unterweisung oder ihrer Bücher, angewiesen. Ich denke, es wäre sehr hilfreich, der Theologie zu ihrer legitimen Stellung zu verhelfen, wenn sich die Prediger und Lehrer einer Gemeinde als Theologen verstünden, die sich über ihre Theologie, die sie der Gemeinde vermitteln, Rechenschaft geben müssen.


Nun könnte man freilich einwenden, dass allein das Bibellesen einen guten Theologen mache. Alles darüber hinaus führe weg vom klaren Schriftwort, stifte bloß Verwirrung und Verunsicherung. Ich denke, aus dem Gesagten geht bereits hervor, wie wichtig eine von der Schrift geprägte Sicht von Gott und auch der Welt ist – und eine solche Weltsicht kann man sich nicht ohne gedankliche, theologische Arbeit aneignen. Es ist richtig, die Bibel muss das Zentrum und die Grundlage aller Theologie bleiben. Aber um dieses Zentrum herum und auf dieser Grundlage gibt es viel Arbeit zu tun, damit diese Botschaft heute gehört, verstanden, und konkret umgesetzt wird.


Theologie besitzt außerdem eine selbstkritische Funktion für die Gemeinde. Sie deckt falsche, unbesehen übernommene Vorstellungen auf, die wir in die Schrift hineinlesen. Sie identifiziert konfessionelle Scheuklappen. Sie zeigt uns unsere falschen Vorstellungen von der Umwelt und der Kultur, in der die biblischen Schreiber gelebt haben. Sie macht uns sensibel für unsere theologischen Lieblingsgedanken, die wir überall in der Bibel erkennen wollen und die uns dadurch den Blick verstellen auf die Vielfalt und die unterschiedlichen Nuancen der biblischen Bücher. Sie hilft uns in unserer Unfähigkeit, mit biblischer Poesie, mit prophetischen und apokalyptischen Bildern umzugehen, usw.


Die Theologen gehören letztlich in die Liste von Epheser 4 hinein, sie sind Gaben Gottes an die Gemeinde, die ihr dienen zu ihrem Wachstum und Zurüstung zum Dienst. Sie sind verantwortlich für die rechte Lehre in der Gemeinde Jesu, für notwendige Korrektur, für Unterweisung in der Apologetik. Sie helfen den Gemeindegliedern, recht von Gott und seinem Wirken zu denken, für ihren Glauben Rechenschaft abzulegen, die Mitmenschen in ihrer Situation zu verstehen, und entsprechend in ihre Lage treffend hineinzusprechen. Und nicht zuletzt dabei, zu begreifen, wie sie in unserer Gesellschaft Salz der Erde und Licht der Welt sein können.


C.

Sollte es mir gelungen sein, manchen Leser vom Nutzen der Theologie für das persönliche und das gemeindliche Leben zu überzeugen, so will ich mich freuen. Mir ist bewusst, dass die Theologie in der Vergangenheit nicht nur Nutzen gebracht, sondern auch viel Schaden angerichtet hat. Das liegt jedoch nicht in der Natur der Theologie an sich, sondern an fehlgeleiteter, an häretischer Theologie. Leider spielte die deutschsprachige Theologie hier eine unrühmliche Vorreiterrolle und hat bibelskeptische Theologie in die ganze Welt exportiert. Dennoch gibt es in Deutschland und auf allen Kontinenten theologische Ausbildungsstätten, die der Wahrheit der biblischen Offenbarung verpflichtet sind. Und auch an den als liberal geltenden Universitäten gibt es Lichtblicke unter den Professoren.


Theologen sind auch nur Menschen, deren Denken wie das aller Menschen Versuchungen zu Ungehorsam, Stolz, Unglaube, Anpassung, und Einseitigkeit ausgesetzt ist. Es gab jedoch immer auch positive, wertvolle, hilfreiche Theologie, auf deren Fundament wir als Christen mehr oder weniger bewusst stehen, und die auch heute noch ihre Notwendigkeit besitzt. Worin diese besteht, habe ich versucht, zu zeigen. Es ist mein Wunsch, dass unsere Gemeinden und Kirchen in Österreich durchdrungen und begeistert werden von einer biblisch fundierten, gründlichen, gegenwartsbezogenen, praktischen, motivierenden, Gott verherrlichenden Theologie. Es wird keinesfalls zu ihrem Schaden sein.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein Reich im Zwiespalt mit sich selbst? Österreichs Christen und Conchita Wurst

Eingehakt

Gemeinsamer Ethikunterricht löst die Probleme nicht