Fasten - mehr als Verzicht?

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Von Kurt Igler

Was bedeutet Fasten? Einfach kein Fleisch, keinen Alkohol? Verzicht? Selbst-Kasteiung? Warum fasten viele Christen? Geht es um mehr als ein bloßes Lassen, ist Fasten auch ein sinnvolles Tun?

Dass Fasten viel mehr ist als Verzicht, das können wohl alle bezeugen, die es schon einmal – in der richtigen Weise – getan haben. Denn der eigentliche Sinn des Fastens besteht im Freiwerden und Offenwerden für Neues, für neue Begegnungen, neue Tätigkeiten, neue Erkenntnisse, neue Entschlüsse. Der Verzicht auf manche Dinge schafft Raum für andere, die im Alltag zu kurz kommen oder auf die lange Bank geschoben werden. Darüber hinaus kann ich ein neues Verhältnis zu den ganz selbstverständlichen Dingen und Verrichtungen des Alltags gewinnen, wenn ich sie eine Zeitlang aussetze. Zuletzt hat das körperliche Fasten, der Verzicht auf Nahrung, ganz spezifische Auswirkungen auf Leib, Seele und Geist, die dem Fastenden neue Erfahrungsbereiche erschließen...




Dazu ein paar Konkretionen und praktische Anregungen:
Wir könnten die Fastenzeit etwa dazu nutzen, die Abläufe unseres Alltags zu analysieren und festzustellen, ob und welche Dinge uns über Gebühr beschäftigen und wertvolle Zeit rauben. Wir werden ja täglich „zugemüllt“ durch einen Wust von überflüssiger Information, per Briefkasten, Mailbox, Webseiten, SMS, Fernseher, Radio, Plakatwänden, Lautsprecher, usw. Kann ich die Fastenzeit nutzen, manches davon einfach mal abzustellen? Wie wär’s mit Handy-freien Tagen? Mit E-Mail-freien Tagen, mit Fernseh-Fasten, Internet-Fasten, usw.? Und stattdessen könnten wir uns Zeit nehmen, uns mit den wichtigeren Dingen zu beschäftigen: Briefe an alte Freunde schreiben, gute Bücher (auch die Bibel) lesen, Zeit mit dem Ehepartner verbringen, und last but not least: über unser Leben an sich nachdenken, den persönlichen Lebensweg, Lebensinhalt und Lebensziele, und all das im Angesicht Gottes selbst. Mir tut es sehr gut, wenn ich mich – was zu selten geschieht – an einen ruhigen Ort zurückziehe und im Gespräch mit Gott (nichts anders heißt Beten) mein Leben überdenke, Prioritäten setze, mir Ziele vornehme, und mich innerlich wieder aufs Wesentliche ausrichte. Sozusagen Boxenstopp für die Seele, Wartung, Auftanken, Inventur, Frühjahrsputz.

Der Verzicht auf Speisen kann dafür noch zusätzlich von Nutzen sein. Er macht uns unsere leibliche Abhängigkeit deutlich, er zeigt uns die Unverzichtbarkeit der Schöpfungsgaben, aber auch die Kraft unseres Willens, eine Zeitlang ohne sie auszukommen. Er kann aber auch das Bewusstsein schärfen für die tieferen Dimensionen des Lebens, für geistige und geistliche Erkenntnisse, für kreative Eingebungen, für das meist leise Reden Gottes in unserem Leben. Zuletzt gibt es noch den gesundheitlichen Aspekt: unser Körper wird es uns danken, wenn wir ihn eine Zeitlang mit Dingen wie Schweinshaxe, Bier, Kaffee, Schokolade oder Sachertorte verschonen. Und wenn wir solchem „Teil-Fasten“ noch hinzufügen, öfters zu Fuß zu gehen als das Auto oder den Lift zu nehmen, dann verwöhnen wir uns selbst beinahe schon auf unverschämte Weise in dieser Fastenzeit.



© Kurt Igler, 2009

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