Ein Reich im Zwiespalt mit sich selbst? Österreichs Christen und Conchita Wurst

Von Kurt Igler
Foto: Albin Olsson (CC-BY-SA-3.0)

Sehr unterschiedlich fallen die Reaktionen sogar „evangelikaler“ österreichischer Christen auf den Sieg von Conchita Wurst beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) aus. Die einen freuen sich über den Sieg Österreichs beim Gesangswettbewerb und sind stolz darauf. Einige loben gar das Zeichen von Toleranz, das hier gesetzt worden sei. Auf der anderen Seite sehen sich Christen darin bestätigt, dass der Vormarsch der Homosexuellen-Lobbys unaufhaltsam sei und sich das Ende der christlichen Familie oder gar des christlichen Abendlandes am Horizont abzeichne. Unterschiedlicher könnten die Sichtweisen kaum sein – und der Ton zwischen den Lagern ist teils ziemlich unversöhnlich.

Müssen wir es einfach akzeptieren, dass sogar gläubige Christen an dieser Stelle ganz konträre Ansichten haben können? Sind alle Sichtweisen legitim, haben sie alle gute Gründe für sich?
Ich möchte als der Bibel verpflichteter evangelischer Christ einige Leitlinien anbieten, die dabei helfen sollen, eine einheitlichere Haltung gegenüber Phänomenen wie Conchita Wurst oder, aus aktuellem „plakativem“ Anlass, dem Wiener „Life Ball“ einzunehmen, aber auch gegenüber einer sexuell abweichenden Lebensweise insgesamt. Denn es geht bei diesen Medienevents nicht zuletzt um eine Veränderung der gesellschaftlichen Sichtweise auf „alternative sexuelle Orientierungen“...


Beginnen wir mit einigen bei gewissenhafter Bibellektüre weitgehend unstrittigen Punkten und arbeiten wir uns dann zu den aus meiner Sicht angemessenen Reaktionen gegenüber den genannten Personen und Ereignissen vor.

Zunächst: nach dem biblischen Schöpfungsbericht schuf Gott den Menschen in seinem Bilde; und zu dieser Gottesebenbildlichkeit gehört die bipolare Geschlechtlichkeit des Menschen als Mann und Frau (1. Mose 1,26-27). Gott nennt diese Polarität sehr gut – die Bezogenheit der Geschlechter aufeinander in ihrer Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit, die Faszination des Anderen und die Entdeckung des Gemeinsamen; all das spiegelt wohl sogar die Beziehungsgemeinschaft in personaler Verschiedenheit innerhalb des Wesens Gottes wider. Das ist Gottes Schöpfungsentwurf und die „Natur“ des Menschen, und deshalb auch die normative Zielvorgabe für den Menschen, der im Regelfall seiner Berufung und Bestimmung durch die von Gott gestiftete Ehe gerecht wird. Die Bereitschaft und Offenheit für Kinder, welche ein Zeichen göttlichen Segens sind, gehört zur Ehe dazu.

Aus dieser Schöpfungsbestimmung folgt die durchgehende und wiederholte biblische Ablehnung praktizierter Homosexualität. Sie ist für Christen keine alternative sexuelle Orientierung, angeboren oder selbst gewählt, die ethisch neutral oder gar gottgefällig sein kann. Sie ist vor Gott Sünde, Zielverfehlung im eindeutigen Sinne, und kann von Christen nicht gutgeheißen werden.

Doch das Wort Gottes belässt es nicht bei diesen Feststellungen und Festlegungen. Zugleich spricht es sehr klar von der Liebe Gottes zu allen Menschen, vom Kommen Jesu für die Sünder, von seiner Gemeinschaft mit den Gescheiterten, den Randfiguren, den Abgelehnten, Ausgestoßenen. Die heftigsten Konflikte hatte Jesus mit den besonders Religiösen und den Theologen seiner Zeit. Und das gerade wegen seiner Zuwendung zu den „Sündern“, seiner Tischgemeinschaft mit den Unwürdigen. Da ist kein Naserümpfen, keine Überheblichkeit, kein Verurteilen, kein Klagen über die Schlechtigkeit der Welt, sondern ein vorurteilsfreies Zugehen auf alle, die Vergebung brauchen, und besonders auf jene, die wissen, das sie diese brauchen und sie suchen, weil sie in Jesus die Güte Gottes erspüren.

Was heißt das nun für die konkrete Haltung von Christen gegenüber Conchita Wurst und den „Life Ball“? Zum einen können Christen den Lebensstil und die Lebensausrichtung, die hier propagiert werden, niemals gutheißen. Dass es bei diesen medialen Events einfach nur um „Toleranz“ geht, wie oft behauptet, stelle ich ebenfalls entschieden in Abrede. Es ließe sich durch viele Zitate und Beispiele belegen, dass es weniger um „Toleranz“ als um geforderte „Akzeptanz“ abweichender "sexueller Orientierungen“ geht, weniger um eine Duldung abweichender bzw. aus christlicher Sicht fehlgeleiteter Lebensweisen als um Anerkennung dieser Lebensweisen als gleichwertig mit den herkömmlichen, „normativen“.

Dennoch ist es Christen nicht nur empfohlen, sondern geboten, nach dem Beispiel Jesu mit den Mitmenschen umzugehen. Sie müssen sich vor Augen halten, dass es in der Vergangenheit tatsächlich mitunter extreme Formen der Intoleranz gegenüber Homosexuellen gegeben hat, nicht zuletzt von Seiten von Christen und Kirchen. Das entsprach in keiner Weise dem Verhalten Jesu gegenüber den Randgruppen, hat dem christlichen Zeugnis in der Welt massiv geschadet und so manchen vermutlich auch den Weg zu Jesus verbaut.

So müssen sich Christen heute gerade in dem, wie sie sich gegenüber den genannten medialen Phänomenen äußern und verhalten, fragen, ob sie dabei dem Beispiel und Vorbild Jesu gerecht werden. Recht zu haben ist in dem Fall die leichtere Übung, auch wenn das Räumen biblischer Positionen durch zahlreiche Christen beklagenswert ist. Viel schwerer und wichtiger ist es, ohne Rechthaberei, Überheblichkeit, Verurteilung, oder Schwarzmalerei aufzuzeigen, wie sich Gott gelingendes menschliches Leben gedacht hat, wie sehr Gott uns Menschen in all unserer Schuld und unseren Zielverfehlungen liebt, und wie er voll Güte ruft und darauf wartet, dass die Sünder umkehren zu ihm und Vergebung und neues Leben in Gemeinschaft mit Gott finden.

Jesus hat den Weg zum himmlischen Vater geebnet und zeigt uns, wie Gott in Wirklichkeit ist. Das zu demonstrieren, durch Wort und Verhalten, ist auch die Berufung jedes einzelnen Christen, heute genauso wie durch die Zeiten hindurch. Das ist schwer, das widerspricht häufig unseren menschlichen Reaktionen und Impulsen, das ist harte Arbeit – aber eine Arbeit, die sich lohnt, damit Gott durch die Rettung vieler Sünder, wie wir es alle ausnahmslos sind, verherrlicht wird.

© Kurt Igler, 2014

Kommentare

Unknown hat gesagt…
Ich finde, du bringst es sehr gut auf den Punkt, Kurt.
Kreativ in Farbe hat gesagt…
Die Sicht der Dinge ist mit Sicherheit so richtig.
Ich für mich glaube, dass hier weniger das Lied, sondern die Person Conchita Wurst gesiegt hat!
Medien brauchen Aussergewöhnliches, das bringt Geld, Vermarktung und Umsatz! Ich habe mir eine Debatte in Ö2 angesehen, die Befürworter waren allesamt Personen, die mit der Vermarktung sehr wohl ihren Profit machen und genau das im Auge haben Und dieses spiegelt unsere mediale Welt wieder!
Es mag sehr wohl Akzeptanz für diese Personengruppen in Ordnung sein, doch wie viele Frauen und Familien gibt es, die in unserer Industriekultur Akzeptanz und Hilfe bräuchten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Warum gibt es immer weniger Kinder - das finde ich sind die Themen, die uns auf den Nägeln brennen!
Man sollte die Kirche auch im Dorf lassen und nicht alles dem Kommerz opfern!
Kreativ in Farbe hat gesagt…
Die Sicht der Dinge ist mit Sicherheit so richtig.
Ich für mich glaube, dass hier weniger das Lied, sondern die Person Conchita Wurst gesiegt hat!
Medien brauchen Aussergewöhnliches, das bringt Geld, Vermarktung und Umsatz! Ich habe mir eine Debatte in Ö2 angesehen, die Befürworter waren allesamt Personen, die mit der Vermarktung sehr wohl ihren Profit machen und genau das im Auge haben Und dieses spiegelt unsere mediale Welt wieder!
Es mag sehr wohl Akzeptanz für diese Personengruppen in Ordnung sein, doch wie viele Frauen und Familien gibt es, die in unserer Industriekultur Akzeptanz und Hilfe bräuchten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Warum gibt es immer weniger Kinder - das finde ich sind die Themen, die uns auf den Nägeln brennen!
Man sollte die Kirche auch im Dorf lassen und nicht alles dem Kommerz opfern!
Kreativ in Farbe hat gesagt…
Die Sicht der Dinge ist mit Sicherheit so richtig.
Ich für mich glaube, dass hier weniger das Lied, sondern die Person Conchita Wurst gesiegt hat!
Medien brauchen Aussergewöhnliches, das bringt Geld, Vermarktung und Umsatz! Ich habe mir eine Debatte in Ö2 angesehen, die Befürworter waren allesamt Personen, die mit der Vermarktung sehr wohl ihren Profit machen und genau das im Auge haben Und dieses spiegelt unsere mediale Welt wieder!
Es mag sehr wohl Akzeptanz für diese Personengruppen in Ordnung sein, doch wie viele Frauen und Familien gibt es, die in unserer Industriekultur Akzeptanz und Hilfe bräuchten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Warum gibt es immer weniger Kinder - das finde ich sind die Themen, die uns auf den Nägeln brennen!
Man sollte die Kirche auch im Dorf lassen und nicht alles dem Kommerz opfern!
Unknown hat gesagt…
Inhaltlich kann ich nur mit Ihnen übereinstimmen. Was mich bedrückt, ist jedoch die Tatsache, dass unsere politischen Vertreter auf diesen (zu sehr medial verherrlichten) Zug aufspringen und sich dadurch profilieren wollen. Wo sind die Entscheidungsträger, die im Sinne Ihres Kommentars die christlichen Werte verteidigen? Wo ist die kirchliche Stellungnahme in diese Richtung? (die gehen ja sogar noch mit - in die falsche Richtung!).
Und vor allem: was können wir (jeder einzelne) gegen diesen Gesinnungsterror unserer Politiker und Medien tun?

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