Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr


Vom biblischen Umgang mit Geld und Besitz

Von Kurt Igler

Money makes a good servant, but a bad master. (Francis Bacon)
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. (Jesus, Mt 6,24)

Der rechte Umgang von Christen mit Geld und Besitz setzt zunächst ein rechtes biblisch-theologisches Verständnis der Güter dieser Welt und der Erfindung des Geldes voraus. Und hier ist als erstes zu sagen: als Gabe des Schöpfers müssen die Güter dieser Welt zunächst vorbehaltlos als gut angesehen werden (vgl. 1Tim 4,4 EIN: Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird). Gott hat dem Menschen einen Lebens-Raum bereitet, und er hat ihm die Güter dieser Welt zur Nutznießung in Demut und Dankbarkeit zur Verfügung gestellt...

 Nun gibt es freilich das bekannte „Verteilungsproblem“ der Güter dieser Welt, und davor noch die wesentliche Frage, wem die Güter eigentlich gehören. Aus schöpfungstheologischer Sicht, die Güte Gottes gegen alle Menschen bedenkend, wie auch die Gleichheit des Menschen vor Gott in seiner Gottesähnlichkeit, muss der Schluss gezogen werden, dass die Güter der Welt grundsätzlich dem menschlichen Geschlecht zur Verfügung stehen, nicht bloß einem Teil der Menschheit unter Ausschluss des anderen Teils. Menschen den Zugang zu den Gütern dieser Welt, zur Teilhabe an diesen, zu verwehren, widerspricht den guten Absichten Gottes, der seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten, und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45).

Soviel zum ganz Grundsätzlichen – wir wollen später noch konkreter werden. Geld hat nun zunächst die Funktion, die Verteilung der Güter zu erleichtern, und muss unter diesem primären Aspekt wiederum gänzlich positiv bewertet werden. Es wurde angesichts der Probleme, die der Tauschhandel mit sich bringt, eingeführt als ein Drittes, ein Tauschmittel, auf dessen Tauschkraft sich die Handelspartner einigten – eine Bedingung dafür war seine kontrollierte Herstellung und Herausgabe. Nun war es auch leichter, sich auf die Produktion dessen zu konzentrieren, wo persönliche und umstandsbedingte Stärken liegen (Arbeitsteilung). Die „Erfindung“ des Geldes bescherte also dem Handel und dadurch dem allgemeinen Wohlstand einen ungeahnten Aufschwung: Geld ist ein überaus geeignetes Mittel zu Wohlstandsvermehrung.

Bislang haben wir ein durch und durch positives Bild von Geld, Gütern und Handel gezeichnet. Besteht der christliche Beitrag zum Wirtschaftsleben also lediglich in einer pauschalen „Absegnung“, einem generellen Gutheißen des wirtschaftlichen Handelns des Menschen?

Keineswegs – denn es ist eben das wirtschaftliche Handeln des Menschen! Und damit sind die Probleme schon impliziert. Denn der Umgang des Menschen mit Geld und Besitz ist gezeichnet von jenem Grundproblem dem Menschen, dem Verhängnis und dem Schuldzusammenhang, in dem er sich in dieser Welt immer befindet, kurz: der Sünde. Der Mensch missbraucht und zweckentfremdet all das Gute, das diese Welt für ihn bereithält. Er wirkt zerstörerisch, er schadet sich und anderen – und im Wirtschaftsleben sind speziell die Möglichkeiten, anderen zu schaden, immens.

Nur stichpunktartig seien diese Möglichkeiten angedeutet: übermäßige Ausbeutung der Ressourcen, Zerstörung der Umwelt, Verschwendung, schädliche Arbeitsbedingungen, Versklavung, ungerechte Entlohnung, Betrug, Übervorteilung, Erpressung, Untreue, Raub, Diebstahl, minderwertige Ware, überhöhte Preise, Zinswucher, Monopolbildung, …

Was ist aus biblisch-christlicher Sicht dazu zu sagen?
Zunächst: So positiv die Bibel die Güter dieser Welt beurteilt, so sehr sie den Menschen dazu ermächtigt, sich die Erde zunutze zu machen („Kulturauftrag“, s. 1Mo 2,15), und so sehr sie auch das persönliche Eigentum schützt (das siebte Gebot: Du sollst nicht stehlen!), so wenig gesteht sie dem Menschen willkürliche Verfügungsgewalt über sein Eigentum zu. Die Güter dieser Welt sind dem Menschen anvertraut, zur Verfügung gestellt, und er ist rechenschaftspflichtiger Verwalter. Gott ist Herr der Schöpfung und Herr des Menschen, und so hat es der Mensch in seinem Umgang mit der Schöpfung, ihren Gütern, und dem Mitmenschen immer auch mit Gott selbst zu tun. Dieser Verantwortlichkeit kann er sich nicht entziehen, er kann sie höchstens zu seinem und zum Schaden seiner Umgebung ignorieren.

Als Besitzender bin ich, so lehrt Jesus, dem Nächsten gegenüber verpflichtet (vgl. die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus, Lk 16,19-31). In jener Geschichte ist nicht der Reichtum an sich das Problem, sondern dass der Reiche seine Verpflichtung gegenüber dem Armen vor seiner Tür nicht wahrnehmen wollte. Die katholische Soziallehre redet entsprechend von einer „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“, einer ethischen Verpflichtung der Besitzenden gegenüber den Mittellosen.

Viele konkrete Schlussfolgerungen für den Umgang mit Geld und Besitz könnte man schon aus diesen wenigen Prinzipien ziehen, aber es ist hier nicht der Raum dafür. Es wird allerdings aus der Art und Weise, wie die Bibel das Problem des Umgangs mit den Gütern der Welt anspricht, vor allem eines deutlich: es kann auch bei unserer Behandlung des Themas nicht in erster Linie darum gehen, bestimmte wirtschaftliche Systeme zu verurteilen und andere zu empfehlen oder gar als die Lösung des Dilemmas anzusehen. Das sollte uns auch die Geschichte lehren, dass die Not des Menschen nicht in erster Linie darin besteht, dass er durch ausbeuterische, unterdrückerische Systeme sich selbst entfremdet ist, und dass eine Revolution der Verhältnisse schon den neuen Menschen hervorbringen könnte. Denn das angesprochene tiefste Problem, die Sündhaftigkeit des Menschen, und zwar jedes einzelnen wirtschaftlichen Akteurs, ist damit in keiner Weise gelöst.
In diesem Wissen gibt die Bibel, das Wort Gottes, keine allgemeinen Belehrungen über den Zustand der Welt und deren Verbesserung, sondern setzt ganz persönlich an: „Du bist der Mensch!“ Der Einzelne wird angesprochen und herausgefordert. Und wiederum, im Wissen um das Wesen des Menschen, wird auch tiefer gedrungen als nur bis zum gerechten oder ungerechten Tun des Einzelnen. Die Bibel spricht unsere tiefsten Haltungen und Einstellungen an, unser Innerstes, das, was in biblischer Sprache das „Herz“ genannt wird (1Tim 6,10 EIN: Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet). Und Jesus selbst sagt die folgenden Worte: Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon (Mt 6,24 EIN).

Die Loyalität von Christen muss klar, ungeteilt sein. Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr! Es kann und soll genutzt werden, aber man darf dadurch nicht korrumpiert werden. Es darf im Leben keinen zu großen Stellenwert bekommen, und schon gar nicht zum Götzen, zum Lebensinhalt, zum Lebensziel, werden. Christen sollen nach Paulus „haben, als ob sie nicht hätten“, müssen Loslassen können, eine innere Distanz zum Besitz bewahren, und ihr Vertrauen nicht auf die Güter, sondern auf Gott setzen.
Wenn diese Grundhaltung stimmt, wird der Mensch befreit zum rechten, richtigen Umgang mit Vermögen. Dann kann er auch dieser „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“ gerecht werden und in rechter Verwalterschaft mit und nach seinem Vermögen dem Nächsten dienen.
Das bedeutet nicht, dass es im wirtschaftlichen Leben immer nur auf den Einzelnen ankommt. Es gibt in der Tat ungerechte Systeme und Mechanismen, sozusagen „strukturelle Sünde“, institutionalisierte Ungerechtigkeit. Auch hier haben Christen eine Verantwortung, sind gerufen, sich für die Veränderung der Verhältnisse einzusetzen. Aber es ist nicht immer leicht, zu erkennen, wo Strukturen ungerecht werden, wo die Grenze zwischen Recht und Unrecht überschritten ist. Und auch hinter solchen Strukturen stecken Menschen, die sie geschaffen haben, die sie erhalten wollen, die durch sie profitieren. Streng genommen sind nicht Strukturen sündig, sondern sie sind von sündigen Menschen erdachte Mechanismen, um dem eigenen Vorteil zu dienen. Und sie können auch nur beseitigt werden, wenn ihre Schöpfer und/oder Erhalter zur Veränderung bewegt werden.

Für den individuellen Umgang von Christen mit ihrem Geld und Vermögen ist es unmöglich, genaue Anleitungen zu geben – jeder ist damit Gott und seinem Gewissen gegenüber verantwortlich, und was für den einen möglich und richtig ist, muss es nicht für den anderen sein, zu verschieden sind Lebenssituationen, Umstände und Verhältnisse. Dennoch sollen einige Fragen an den Schluss gestellt werden, die dazu helfen können, den persönlichen Umgang mit dem Besitz zu überprüfen und eventuell zu ändern:

·         Gehe ich verantwortlich/bescheiden/angemessen mit dem Vermögen um, das mir anvertraut ist?
·         Freue ich mich über das „Vermögen“, mit meinen Mitteln Gutes zu tun?
·         Stimmt die Relation meiner Ausgaben für
o   Grundbedürfnisse (Ernährung, Unterkunft, Kleidung)
o   Kultur, Freizeit, Medien
o   Auto, Urlaub, Luxusartikel
o   Wohltätigkeit, Mission?
·         Und vor allem und zuletzt: Woran hängt mein Herz, wem vertraue ich, wem diene ich, wofür lebe ich?
Ein Pauluszitat sei ans Ende gestellt: 1 Tim 6,1 EIN: Ermahne die, die in dieser Welt reich sind, nicht überheblich zu werden und ihre Hoffnung nicht auf den unsicheren Reichtum zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich gibt, was wir brauchen.

© Kurt Igler, 2009

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